Mittwoch, 15. August 2007

Scrap & Write Challenge # 2 - Bücher

Eine Challenge wie für mich gemacht als alte Leseratte. Zum ersten Thema "erster Urlaub ohne Eltern" konnte ich nichts beitragen, da ich erst nach meinem Auszug mit 19 Jahren erstmals ohne sie gefahren bin. Tja, so war das damals......

Die Farben sind mal wieder in natura viel kräftiger, das PP viel grüner. Daniela wird es bestätigen können.

Lesen


Der Text:

An ein Leben ohne Bücher kann ich mich nicht erinnern. Obwohl ich nicht einmal weiß, ob mir vorgelesen wurde. Kinderbücher, meine ich. Wohl eher nicht, denn meine Mutter hat in meiner Kindheit Tag und Nacht gearbeitet. Andererseits muß sie selbst immer noch Zeit für ein Buch gefunden haben. Sie hat vor einiger Zeit ihre 50-jährige Mitgliedschaft in einem Buchclub gefeiert.

Bücher gab es also in meiner Kindheit reichlich. Erinnern kann ich mich aus der frühesten Zeit aber nur an einen dicken Wälzer mit Ledereinband: Märchen und Sagen. Nordische, deutsche und vielleicht auch noch andere, die ich nicht mehr weiss. Lesen konnte ich diese Geschichten anfangs noch nicht. Ich habe mir nur mit großer Faszination die enthaltenen colorierten Stiche angesehen. Genoveva mit dem Rehlein sehe ich heute noch vor mir. Mit sieben Jahren habe ich dann versucht, den Text in Kurrentschrift zu enträtseln, was mir dann auch immer besser gelang. Ich habe diesen ganzen dicken Wälzer gelesen.

Die zweite Erinnerung betrifft Klein-Erna-Witze. Meine Mutter hatte im Bücherschrank eine schmales Bändchen mit diesen Witzen, die wir Kinder heiß und innig liebten. „Mama, liest du uns noch einen Witz vor ?“ Einer endete mit dem schönen Spruch: „Jetzt ist Schluß mit die Pietät und Takt. Jetzt wird gestreut !“ Als wir dann lesen konnten, wurde dieser Band im abschließbaren Teil des Bücherschranks verstaut. Er enthielt nämlich auch schweinische Witze von der Art > Fragt Klein Erna Heini, mit dem sie auf einer Bank im Abendlicht auf einem Hügel sitzt und über Hamburg schaut: „Willst du mal sehen, wo ich am Blinddarm operiert bin ?“ Auf die begeisterte Zustimmung Heinis kommt trocken: „Dort unten, im Krankenhaus Olsdorf.“ Solche Witze waren nichts für uns, entschied meine Mutter.

Zu meiner bevorzugten Lektüre gehörten von früh an auch die Zeitschriften des Leseringes, die meine Großeltern wöchentlich im Leihabonnement bezogen. An Stern und Bunte glaube ich mich zu erinnern. Ich verbrachte als Grundschulkind viele Wochenenden bei meinen Großeltern, die „die Ecke rum“ wohnten. Dort war es so friedlich ! Zuhause teilte ich das Zimmer mit meinen beiden jüngeren Schwestern. Das Wohnzimmer war ständig belegt von halbnackten Frauen, für die meine Mutter in den ersten 10 Jahren meines Lebens nähte. Sie aßen sogar zu Mittag bei uns. Also ein ständiges Kommen und Gehen, kein ruhiges Leseplätzchen.

Bei meinen Großeltern dagegen fand ich immer himmlischen Frieden. Sie besaßen an Zerstreuungsutensilien nur ein uraltes Radio und ein Dominospiel. Am Abend, nach dem Abendessen mit aufgewärmten Kaffee vom Nachmittag, mit von meinem Großvater selbstgebackenen Weißbrot oder angebratenen Restkartoffeln vom Mittagessen, lasen wir drei um den Eßtisch versammelt unsere Zeitschriften, ich mit drei Kissen unter dem Po auf dem Sofa, meine Großeltern auf Stühlen. Den etwas strengen Geruch des aufgekochten Kaffees und den köstlichen Duft des frischen Hefebrotes rieche ich heute noch.

Das höchste Glück war, wenn ich meinen Opa überreden konnte, aus dem Schlafzimmer die große Tischlampe zu holen, die mit ihrem gelben Seidenschirm ein so schönes warmes Licht verbreitete. Die helle Deckenbeleuchtung wurde dann ausgeschaltet. Gesprochen wurde den ganzen Leseabend über so gut wie nicht. Ich las an zwei Abenden alle Fortsetzungsromane in allen Zeitschriften und hatte kein Problem, am nächsten Wochenende die Lektüren ohne Verwirrung wieder aufzunehmen. Irgendwann am Abend sagte mein Opa dann:
„ Nono, laß uns schlafen gehen !“ und wir gingen alle drei ins Bett. Ich schlief auf einem Diwan vor den Betten meiner Großeltern, zugedeckt mit einem riesigen schweren Plumeau. Im Winter blühten dicke Eisblumen an den Fenstern und ich wärmte mich unter meiner Decke an vier Wärmflaschen.

Sehr früh war ich Mitglied der Stadtbibliothek und fuhr mehrmals wöchentlich mit dem Rad von Bockum nach Krefeld. Lebhaft erinnern kann ich mich an alle Bücher von Enid Blyton. Mit dreizehn oder vierzehn hatte ich jedes Buch der Kinderbibliothek gelesen, selbst die Bücher, die mich eigentlich überhaupt nicht interessierten. Ich durfte dann in die Erwachsenenbibliothek wechseln, natürlich unter Aufsicht der Bibliothekarinnen. Lesen durfte ich noch lange nicht alles ! Zu meiner bevorzugten Lektüre gehörten geschichtliche Werke über die großen Entdecker – Vasco da Gama, Kolumbus, Magellan. Nach und nach durfte ich dann auch an den Bücherschrank meiner Mutter und habe mich so im Laufe der Jahre durch die Weltliteratur gelesen. Lange war „Der Großtyrann und das Gericht“ mein Lieblingsbuch, der Sprache wegen, die mich faszinierte. Es geht mit heute noch so – ich kann kein Buch lesen, sei es auch noch so spannend , dessen Sprache mich abstößt oder das schlecht übersetzt ist. Nach wenigen Seiten vergeht mir die Lust.

Lesen war für mich in der Pubertät Flucht aus dem Alltag, vor Problemen, vor Streß und Lärm. Geblieben ist mir aus dieser Zeit die Verbindung Ruhe und Lesen. Ich liebe es heute noch, wenn alle anderen schon schlafen und das Haus ganz still ist, in meinem Sessel sitzend stundenlang zu lesen. Diesen Sessel habe ich jetzt seit 17 Jahren, mir gewünscht und geschenkt bekommen von meinem Mann zur Geburt unserer Tochter.

Ich lese immer noch alles, quer durch alle Sachgebiete. Auch seit bestimmt dreißig Jahren den Spiegel, obwohl ich mich hin und wieder frage, warum ich mir jede Woche diese Chronik empörender Geschichten antue. Aber er gehört irgendwie zu meinem Leben, genauso wie die morgendliche Zeitung.

Die beiden zuletzt gelesenen Bücher haben mich sehr fasziniert. Pascal Mercier: „Nachtzug nach Lissabon“ und Nadeem Aslam „ Atlas für verschollene Liebende“. Ich liebe zur Zeit die Bücher von Haruki Muramaki, z.B. „Wilde Schafsjagd“, die Romane von Richard Powers und die Krimis von Fred Vargas. Trennen kann ich mich von keinem Buch, auch wenn ich langsam Platzprobleme bekomme.

Das Schönste für mich – ich habe meine Leseleidenschaft an meine Tochter weitergeben können !

4 Kommentare:

Rena hat gesagt…

Tut mir sehr leid:
mußte den post neu veröffentlichen, dabei sind 4 Kommentare leider auf der Strecke geblieben. ICH habe sie aber alle gelesen - danke !

Susanne hat gesagt…

Das ist unglaublich toll! Vor allem das Journaling selbst wie ein Buch zu machen finde ich spitze. Ich glaube, das muss ich mir klauen!

Anonym hat gesagt…

oDie Geschichte ist ja sehr interessant. Erinnert mich doch an einiges!!!

Anonym hat gesagt…

Sehr beeindruckend, mir gefällt das Layout sehr gut!